Eine Straße für Pierrre Vignes
Kaltenkirchen benennt eine Straße nach Pierre Vignes, dem letzten Überlebenden des KZ-Außenlagers Kaltenkirchen
Am Donnerstag, den 21.09.2023, besuchten Hélène und Brigitte Vignes die Stadt Kaltenkirchen und die KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen. Begleitet wurden sie von Jean-Louis Millet, dem Lebensgefährten von Brigitte Vignes. Der Anlass ihres Besuchs war die Benennung einer Straße in Kaltenkirchen nach ihrem Vater. Pierre Vignes, französischer Widerstandskämpfer und Häftling diverser Konzentrationslager, unter anderem des KZ-Außenlagers Kaltenkirchen, war am 25.06.2022 im hohen Alter von 97 Jahren verstorben. Er war der letzte Überlebende des KZ-Außenlagers Kaltenkirchen.
(Foto von links: Frauke Greuel, Brigitte und Hélene Vignes, Marc Czichy, Thomas Käpernick, Emilie Setzke)
Nach einem entsprechenden Vorschlag aus der Kaltenkirchener Bürgerschaft von Mitte des vergangenen Jahres hat im Februar diesen Jahres nach einem längeren Diskussionsprozess die Stadtverordnetenversammlung einstimmig entschieden, in einem gerade ausgewiesenen Neubaugebiet eine Straße nach Pierre Vignes zu benennen.
Im Rahmen der feierlichen Einweihung am Nachmittag des 21.09. hielten Bürgervorsteher Raimund Neumann sowie der Vorsitzende des Bauausschusses der Stadt Kaltenkirchen, Thies Rickert, und ein Vertreter des Bauträgers kurze Redebeiträge.
Gemeinsam mit Bürgervorsteher Neumann enthüllten Brigitte und Hélène Vignes das Straßenschild der Pierre-Vignes-Straße. Die Pierre-Vignes Straße schließt sich an die vier Straßen an, welche in Kaltenkirchen bereits nach Verfolgten und Gegnern des NS-Regimes benannt sind. Die Familie Vignes hatte aus Anlass der Straßenbenennung eine Rede vorbereitet.
Brigitte Vignes fand bewegende Worte. Sie erklärte: „Die Bescheidenheit meines Vaters wäre auf eine harte Probe gestellt worden, aber wir sind sicher, dass er sehr gerührt gewesen wäre von der großen Ehre, die ihm der Bürgermeister und die Stadtverwaltung zuteilwerden ließen, indem sie seinen Namen stellvertretend für alle Opfer des Konzentrationslagers Kaltenkirchen wählten.“
Für die KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen sprach der Mitarbeiter Thomas Käpernick, der Pierre Vignes 2015 bereits in einem langen Gespräch befragt hatte. Seit dieser Begegnung im Haus der Vignes bei Toulouse bestand ein Kontakt zur Familie. Thomas Käpernick betonte in seiner Ansprache die wichtige Rolle des ehemaligen Häftlings Pierre Vignes für die pädagogische und wissenschaftliche Arbeit der KZ-Gedenkstätte und er würdigte ihn als „einen besonderen Menschen“, der die vielen furchtbaren Situationen der Deportation nie vergessen konnte. Er rief zugleich dazu auf, angesichts einer aktuellen Welle rechter Störversuche und Angriffe auf Gedenkstätten zu reflektieren, „welche Lehren wir aus der Vergangenheit ziehen und wie der Kampf gegen die rechte Gefahr im hier und jetzt geführt werden muss.“
Die Familie Vignes besuchte vor der Straßeneinweihung die KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen und lernte das Gelände des früheren KZ-Außenlagers kennen. Im Gespräch mit Hans-Jürgen Kütbach, Hans-Joachim Wolfram, Frauke Greuel, Marc Czichy, Thomas Käpernick und der engagierten Übersetzerin Emilie Setzke reflektierten sie unter anderem, was es für die Familie bedeutete und bis heute bedeutet, nach 1945 mit einem ehemaligen Deportierten zusammenzuleben. Pierre Vignes hatte gegenüber der Familie die Zeit der Deportation nie verschwiegen, aber viele Fragen offen gelassen. Hélène Vignes übernahm nach dem Tod der Mutter den Haushalt ihres Vaters, aber trotz dieser Nähe erfuhr auch sie nur wenig von seiner Geschichte. Das Gespräch zeigte einmal mehr, wie sich die Lebenserfahrungen eines Deportierten auf vielfältige Weise belastend auf die nachfolgenden Familienangehörigen auswirken.
Der 21. September war ein bewegender Tag, der viele Denkanstöße gab und an dem wir liebenswerte Menschen, in deren Schuld die KZ-Gedenkstätte steht, kennenlernen durften.
Gedenkveranstaltung am 26.01.2023 im Ratssaal Kaltenkirchen
„Gedenken – Erinnern – Fragen“
Veranstaltung der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen zum 27. Januar
Anlässlich des Tags des Internationalen Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar – dem 78. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee – luden die KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen und ihr Trägerverein am gestrigen Donnerstag in den Ratssaal der Stadt Kaltenkirchen ein.
Die Gedenkveranstaltung fand in diesem Jahr unter dem Titel „Gedenken – Erinnern – Fragen“ statt und beschäftige sich in einem rund zweistündigen Programm mit der Frage, was Gedenken und Erinnern an die nationalsozialistischen Massenverbrechen und deren Opfer heute ausmacht und was – zumal jüngere Menschen – die Zeit des Nationalsozialismus heute noch angeht. Gerahmt wurde dieser thematische Schwerpunkt durch die Vorstellung des zwischen 2020 und 2022 an der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen durchgeführten Aus- und Fortbildungsprojekts „Erinnerung ins Land tragen!“. Im Rahmen dieses Projekts wurden 85 Personen für die gedenkstättenpädagogische Arbeit an der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen und weiteren Gedenkstätten und Erinnerungsorten in Schleswig-Holstein ausgebildet. Eine zum Projektende erstellte Broschüre fast die Projektergebnisse zusammen und ermöglicht einen Einblick in Theorie, Praxis und Inhalte der im Rahmen des Projekts durchgeführten Aus- und Fortbildungsformate. Nähere Informationen zum Projekt und zur Abschlussbroschüre sind unter https://www.erinnerung-ins-land-tragen.de/ abrufbar.
Nach einem einleitenden Input zum Thema „Erinnern heute“ durch Marc Czichy, dem Leiter der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen, sprachen Freya Kurek, Leiterin des Projekts „Erinnerung ins Land tragen!“, und Paula Mittrowann, Teilnehmerin bei „Erinnerung ins Land tragen!“ und Grafikdesignerin, mit dem Moderator Hauke Petersen, stellv. Landesbeauftragter für politische Bildung in Schleswig-Holstein, in einem Podiumsgespräch über das Projekt und über aktuelle Herausforderungen der Bildungs- und Vermittlungsarbeit an KZ-Gedenkstätten und Erinnerungsorten zur NS-Zeit. Außerdem stellten sie Inhalt und Aufbau der Broschüre vor.
Zum gelungenen Abend trug auch die musikalische Begleitung der Chorgruppe des Jüdischen Kultur- und Fördervereins "Aschkenas" aus Kiel bei, die das Publikum mit einer abwechslungsreichen Facette von Liedern und einer sehr intensiven Darbietung begeisterte. Hans-Jürgen Kütbach, Vorsitzender des Trägervereins der KZ-Gedenkstätte, und seine Stellvertreterin, Indre Schmalfeld, konnten sich über eine mit fast 90 Personen gut besuchte Veranstaltung ebenso freuen, wie über eine Begrüßung durch den Kaltenkirchener Bürgermeister Hanno Krause als Hausherr und über ein Grußwort von Guido Wendt, dem Staatssekretär für Kultur des Ministeriums für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur, der den Weg aus Kiel nach Kaltenkirchen gefunden hatte. Die Anerkennung der Arbeit der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen von politischer Seite wurde auch durch die Teilnahme einer Vielzahl von kommunalpolitischen Vertreter*innen aus den Kreisen Pinneberg und Segeberg an der Veranstaltung deutlich.
Spendenaufruf Ukraine
Spendenaufruf für die Ukraine
Infolge des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs des russischen Präsidenten Putin gegen die Ukraine hat sich am 9. März ein Hilfsnetzwerk für NS-Verfolgte in der Ukraine gebildet. Das Netzwerk besteht aus circa 30 Initiativen, Stiftungen, Gedenkstätten und Erinnerungsorten in Deutschland, die sich mit NS-Verbrechen auseinandersetzen und teilweise langjährige Kontakte zu Überlebenden der NS-Verfolgung, Fachkolleg*innen und Kooperationspartner*innen pflegen. Das Netzwerk bittet nun um Spenden für Überlebende der nationalsozialistischen Verfolgung in der Ukraine
100 Jahre Gerhard Hoch
Zur Erinnerung an Dr. Gerhard Hoch
Am 21. März 2023 wäre Dr. h.c. Gerhard Hoch 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass möchten die KZ-Gedenkstätte und der Vorstand ihres Trägervereins an Gerhard Hoch erinnern und sein politisches und erinnerungskulturelles Engagement würdigen. Ohne Gerhard Hoch wäre die KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen in Springhirsch nicht entstanden. Der lange und schwierige Kampf um die Erinnerung an das KZ-Außenlager Kaltenkirchen und an die Opfer der dort begangenen Verbrechen manifestiert sich an in starkem Maße an seiner Person. Ihm und weiteren Mitstreiter*innen gelang es, das KZ-Außenlager gegen Widerstände ins öffentliche Bewusstsein zurückzuholen und am historischen Ort die KZ-Gedenkstätte aufzubauen. Mit seinem politischen Engagement und seiner Lust an politischem Austausch und Diskussion hat Gerhard Hoch auch immer wieder daran erinnert, dass Demokratie und die Möglichkeit des demokratisches Handelns nicht voraussetzungslos da und sicher sind, sondern immer wieder neu erarbeitet und angeeignet werden müssen. Entsprechend lautete im Jahr 2012 sein Vermächtnis an den Trägerverein der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen: „Ich wünsche mir, dass auf unser Gedenkstätte etwas davon wirksam werde, dass besonders die jüngeren Besucher zwar nicht zu einer unverantwortlichen Aufsässigkeit, wohl aber zu einem Mindestmaß an verantworteter Widerständigkeit finden.“ Der Tod von Gerhard Hoch am 06. Dezember 2015 war für die Gedenkstätte eine Zäsur. Sein Rat und seine kritische Begleitung der Weiterentwicklung der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen fehlen bis heute.
Vorstand des Trägervereins und Gedenkstättenleitung
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